prä-Ordo Templi Orientis
Carl Kellner
Franz Hartmann
Theodor Reuss
Carl Kellner
von Josef Dvorak
Carl Kellner legte eine Ursache zum Abholzen der Wälder
Carl Kellner war ein Selfmademan, der es, aus relativ einfachen
Verhältnissen kommend, durch harte Arbeit und Erfindungsgeist
schaffte, einer der grossen Industriekapitäne der Donaumonarchie
zu werden, der auch international - auf dem gesamten europäischen
Kontinent, in England, ja sogar in Amerika - am kapitalträchtigen
technischen Fortschritt beteiligt war.
1850 in Wien geboren, hatte er in Privatlaboratorien den Beruf des
Chemikers erlernt. Ob er je an Hochschulen und Universitäten
studiert hat - immerhin nannte er sich seit 1895 Doktor der
Philosophie -, ist ungewiss. Meine Nachforschungen in den
Matrikeln der in Frage kommenden Fakultäten brachten kein
Ergebnis. Durch Bombenangriffe im letzten Krieg sind auch
Dokumente, die in Familienbesitz waren, verlorengegangen. Jedoch
findet man in den Patent-Archiven Hunderte Akten über Erfindungen,
die Carl Kellner gemacht hatte, vor allem auf dem Gebiet der
Elektrolyse. Er war Elektrochemiker.
Seine erste Erfindung machte er 1873, also mit 23 Jahren, als
Angestellter seines väterlichen Freundes, des Abgeordneten zum
österreichischen Reichsrat Eugen Hektor Freiherr Ritter von
Zahony, der eine Papierfabrik in Görz im österreichischen, heute
zu Italien gehörenden Friaul besass. Kellner wirkte dort auch als
wissenschaftlicher Erzieher der Kinder des Freiherrn. Kellner
unterlief in der Fabrik ein Fehler, wodurch er entdeckte, dass
beim Kochen von Holz in einer Sulfitlösung Zellstoff entsteht.
Diese Erfindung, 1882 als "System Ritter-Kellner" patentiert,
stellte die Papier- und Zellulosefabrikation auf eine völlig neue
Basis: auf das Abholzen der Wälder und die Verschmutzung der
Umwelt, was zu dieser Zeit von niemandem problematisiert wurde.
1888 versandte Kellner an kapitalkräftige Interessenten in aller
Welt ein "Promemoria", in dem er zu einer Kooperation der
nordamerikanischen Industrie mit der Kärntner Forstwirtschaft mit
dem Ziel aufrief, "den Weltmarkt für Zellulose zu beherrschen".
Die Errichtungskosten für die erste Fabrik des neuen Typs wären
sehr niedrig: nur 3 Millionen Gulden, nach heutigem Wert etwa 50
Millionen DM. Kellner versprach eine "Superdividende von 52,5
Prozent".
Ein Jahr später gründeten tatsächlich der Engländer Edward
Partington und der Norweger Oscar Pedersen mit Kellner die
"Kellner-Partington Paper Pulp Co. Limd." in Hallein mit einem
Kapital von 930'000 Pfund. Die heute noch bestehende Papierfabrik
in Hallein bei Salzburg wurde gebaut, wofür die Salzach erst
reguliert werden musste. Weitere Fabrikgründungen und
Lizenzvergaben in alle Welt folgten. Andere Erfindungen Kellners
betrafen die elektrolytische Erzeugung von Chlor und Aetznatron.
In seinem grossen Wiener Labor betrieb er mit kompetenten,
darunter akademischen Fachkräften die Erfindung von
Quecksilberdampflampen, die Entwicklung bisher unbekannter Metall-
Legierungen und die Erzeugung künstlicher Edelsteine. 1904 folgte
die Errichtung der Zellstoff-Fabrik in St. Magdalen bei Villach.
Sie hat allerdings inzwischen pleitiert.
Franz Hartmann gab immer die kleinste Münze
Carl Kellner sah in Dr. Hartmann, dem früheren engen Mitarbeiter
von HPB, also der Madame Blavatsky, einen hohen rosenkreuzerischen
Eingeweihten und genialen Philosophen. Hartmann wurde von Kellner
und dessen Familie als ein lieber Freund behandelt. Er hat in der
esoterischen Szene Wiens eine nicht unwichtige Rolle gespielt,
denn er war es, der den kulturell einflussreichen Polyhistoriker
Friedrich Eckstein, einen Freund und zeitweiligen Mitarbeiter
Sigmund Freuds, und dessen Frau, die Schriftstellerin "Sir
Galahad", in die Theosophie eingeführt hatte.
Von Eckstein erhielt der Schöpfer der Psychoanalyse Informationen
über die Yoga-Lehre. Seit Juni 1886 war Eckstein im Besitz einer
von HPB persönlich signierten Charter für die Wiener Loge der
Theosophen. Auch Kellner war mit Eckstein, Spitzname "Mac Eck",
befreundet. Beruflich kamen beide aus derselben Branche: Eckstein
hatte die Pergamentfabrik seines Vaters in Wien geerbt und
ebenfalls Erfindungen auf dem Gebiet der Papierchemie patentieren
lassen. Hartmann war stets in Geldnöten, er quartierte sich gerne
bei Freunden ein, die dann für ihn sorgen mussten. Eckstein bat
darüber geklagt. Dem wohlhabenden Kellner war er jedoch
willkommen. Kellners Witwe (sie starb 1949) erzählte gerne von
Hartmanns Sparsamkeit: Wenn Hartmann die Familie Kellner besuchte,
kam er nicht mit einem Fiaker, denn der wurde von zwei Pferden
gezogen, und eine Fahrt war entsprechend teuer, sondern mit einem
weit billigeren Einspänner. Deren Lenker waren nicht in einer
Innung organisiert, welche die Taxe fest setzte. Ihr Fuhrlohn
bestand darin, "was der Herr halt so geben will". Wenn Hartmann
sein Fahrziel erreicht hatte, kramte er so lange in seinen
Manteltaschen, bis er eine Münze mit dem kleinsten Wert fand.
Diese überreichte er dann dem Kutscher mit einer grossartigen
Geste und den Worten "Hier haben Sie, guter Mann", worauf dieser
im Gesicht rot anlief und eine Serie von Verwünschungen auf den
"notigen" Hartmann niederprasseln liess. Hartmann weihte Kellner
und dessen Frau nicht nur in die Theosophie ein, sondern machte
ihn auch mit interessanten Indern bekannt, so mit dem 1896 in
Kellners Yoga-Büchlein erwähnten "Mr. Bheema Sana Pratapa aus
Lahore", den Kellner und Hartmann auf dem Münchner
Psychologenkongress mit Yoga-Demonstrationen vorstellten. Kellner
bezahlte nicht nur die Reisespesen und Aufenthaltskosten der
Inder, sondern verschaffte auch seinem Freund Hartmann eine
Sinekure, indem er ihn zum ärztlichen Leiter des Halleiner
Sanatoriums Lahmann machte, wo mit dem Kellnerschen Lignosulfit-
Inhalationsverfahren Lugentuberkulose und Keuchhusten behandelt
wurden. Gustav Meyrink soll hier gekurt haben. Das Therapeutikum
war ein Nebenprodukt der Halleiner Papierfabrik. 1904, vor seiner
Abreise nach Aegypten, wo er Heilung erhoffte, sorgte der
schwerkranke Kellner noch für die Edition einer Ehrenmedaille mit
dem Konterfei seines Freundes Dr. Franz Hartmann.
Kellners "oral history"
Kellner gehörte der Hartmann-Richtung der Theosophie an. Im Archiv
in Adyar findet sich der Name Carl Kellner nicht. Welcher
Rosenkreuzer-Gruppe er angehört haben könnte, vielleicht ebenfalls
einer Hartmannschen, ist mir nicht bekannt. Er hatte jedoch
Kontakte zu amerikanischen Rosenkreuzern.
Was ich jetzt sage, muss mit grosser Vorsicht aufgenommen werden,
denn es handelt sich uni sehr schlecht bis gar nicht dokumentierte
Vorgänge, um "oral history", der man glauben kann oder auch nicht,
und um Konjekturen, die sich daraus ergeben. Auffällig ist dabei
die oft auftauchende Jahreszahl 1895. In diesem Jahr soll nach
Angaben von Theodor Reuss Kellner die Gründung einer "Academia
Masonica" vorgeschlagen haben. Der Name des Projektes sei dann
über Vorschlag Kellners ln "Ordo Templi Orientis" (O.T.O.)
geändert worden. Carl Kellner aber hatte nach Reuss sein okkultes
Wissen von einer amerikanischen "Hermetic Brotherhood of Light".
Ob und wie man Reussens Angaben glauben kann, ist umstritten. Herr
König ist in diesem Punkt aus guten Gründen sehr skeptisch. Ich
bin hier etwas optimistischer und möchte nicht ohne sehr triftige
Gegenargumente vom Überlieferten abweichen. Freilich bin ich mir
des Risikos bewugt, dabel ungewollt die Grenzen zur historischen
Science fiction zu überschreiten.
12 Uhr mittags
1895 jedenfalls wurde in Philadelphia von Freeman B. Dowd, einem
Nachfolger des Sexual- und Spiegelmagiers, angeblichen
Eingeweihten der Alewiten, okkulten Gegenspielers Madame
Blavatskys und Gründers der "Brotherhood of Eulis" (id est
"Eleusis"), Paschal Beverly Randolph (1825-1875), der "Temple of
the Rosy Cross". wie es heisst "wiedergegründet". Dowd war
Mitglied der"H.B. of L." ("Hermetic Brotherhood of Luxor")
grewesen, als deren Vorläufer die "Brotherhood of Eulis" gelten
kann. Diese Traditionslinie führt bis zur Gründung der Societas
Rosicruciana in Amerika 1908 und schliesslich zu Reuben Swinburne
Clymer (1878-1966) und dessen Rosenkreuzer-Organisation. Nach
Sylvester Clark Gould, dem Mitbegründer der Societas von 1908,
kamen in eben diesem jahr 1895 auf dem höchsten Gebäude in Boston
unter klarem Himmel zur Mittagszeit zwölf hohe Persönllchkeiten
zusammen und riefen, mit den Händen nach oben weisend,
dle"Hermetic Brotherhood of Light" ins Leben. Sie war mit der "von
Luxor" zwar nicht identisch, ist aber auch zut Randolphschen
Rosenkreuzertradition zu zählen. Einer von den Zwölfen soll, das
findet sich bei Gould allerdings nicht, Carl Kellner gewesen sein.
Ebenfalls 1895, ich sagte es schon, legte sich Kellner den
philosophischen Doktortitel zu. Im selben Jahr begann er mit der
Konzipierung seiner sogenannten alchemistischen Arbeiten.
In Pressburg wartete der Zug immer auf die Freimaurer
Nach Hartmann und der "oral History" wurde er 1873 in die
Grenzloge "Humanitas" im damals ungarischen Ort Neudörfl
aufgenommen. Im Nachruf "Emanuels" (Hartmanns) auf Kellner, den
Bruder "Renatus", in der Oriflamme vom Juni 1905 heisst der Ort
"Neuhäusl". Die Existenz sogenannter "Grenzlogen" ist aus dem
Verfassungsdualismus der Donaumonarchie nach dem "Ausgleich" mit
Ungarn 1867 zu verstehen. Franz Josef I., der Monarch, der 1848
auf den Thron der Habsburger gekommen war, regierte von 1867 an
keinen zentralistischen Staat mehr, sondern in Personalunion zwei
Staaten, denen nur Aussen- und Finanzpolitik sowie das Heereswesen
gemeinsam waren: das Königreich Ungarn mit einer liberalen
Verfassung und die weiterhin konservativ verwalteten
"cisleithanischen" Gebiete. Beides zusammen war die
"Ossterreichisch-Ungarische Monarchie". Auf die ungarischen
Verhältnisse und deren Vorbildwirkung auf die übrigen Telle des
Reichs setzten auch die deutschsprachigen Liberalen einige
Hoffnung, darunter auch jene, die eine Wiederzulassung der 1849,
nach der Einnahme des aufständischen Wien durch die Truppen des
Fürsten Windischgrätz, verbotenen Freimaurerei anstrebten.
Versuche, Logen nach dem österreichischen Vereinsgesetz von 1867
genehmigen zu lassen, scheiterten jedoch zunächst an Paragraph 18,
der den Maurern untragbar schien, weil er die Kontrolle der
Vereine durch staatliche Kommissäre verlangte. Als sie sich
schliesslich damit einverstanden erklärten, nutzte auch das nicht.
Dagegen wurden nach ungarischem Vereinsgesetz die ersten Logen
bereits 1868 in Pest und 1869 in Oedenburg erlaubt. Deshalb kam
man auf die Idee (sie stammte von dem Schriftsteller Franz Julius
Schneeberger), für die österreichischen Brüder Logen knapp hinter
der ungarischen Grenze zu installieren und in Oesterreich selbst
ein angepasstes Vereinsleben zu führen. So erfolgte nach der
Gründung am 9. März 1871 die Lichteinbringung der Loge "Humanitas"
am 25. Februar 1872 in dem heute zu Oesterreich gehörenden
Neudörfl in der Nähe der Wiener Neustadt. Als Carl Kellner 1873 in
die Loge aufgenommen wurde, befand sich diese gerade in einer
schweren Krise: Viele Brüder waren mit dem Stuhlmeister
Schneeberger nicht einverstanden. 1874 verliessen znvel Gruppen
von Unzufriedenen die "Humanitas" und gründeten neue Logen
("Zukunft" und "Sokrates") im slowakischen Pressburg (Bratislava),
das damals zu Ungarn gehörte. 1880 begann auch die "Humanitas" mit
der Übersiedlung nach Pressburg, das somit Hauptstadt der Wiender
Freimaurerei wurde. Diese Verlegung bedeutete eine bessere
Verkehrsbindung. Um nach Neudörfl zu gelangen, musste man mit der
Südbahn bis nach Wiener Neustadt fahren, von wo man mit Kutschen
zum Logentempel gelangte. Das Zentrum von Pressburg jedoch war mit
der Pressburger Bahn, einer Art elektrischer Strassenbahn, vom
heutigen U- und S-Bahnhof Wien-Mitte aus nach einer Stunde Fahrt
erreichbar. Diese Linie gibt es leider nicht mehr. Ich kannte sie
noch. In Pressburg wartete der Zug bis nach Ende der Logenarbeit.
Der Kondukteur gab erst das Abfahrtssignal, wenn sich alle
Freimaurerbrüder in dem für sie reservierten Waggon eingefunden
hatten.
Dass sich Kellner der Hochgrad-Maurerei zuwandte, mag mit den
Streitereien in Neudörfl zu tun haben. Im Mitgliederverzeichnis
von 1886 findet sich sein Name nicht. Seine Memphis-Misraim-Loge
war "Phönix zur Wahrheit" im "Tale von Hamburg" [gegr. am 1. Juli
1904, siehe Faksimile in König, Materialien zum OTO]. Nach dem Tod
Kellners trennte sie sich von Reuss und trat zur regulären
Grossloge über.
Zu Lebzeiten von Kellner keine Rede vom O.T.O.
Nach der Darstellung von Reuss in der sogenannten "Jubiläums-
Ausgabe der Oriflamme 1912" trat Kellner, nachdem er auf seinen
vielen und weiten Reisen mit der "Hermetic Brotherhood of Light"
in Berührung gekommen war, an Reuss mit dem Wunsch nach Gründung
einer Art von "Academia Masonica" heran, "welche suchenden Brüdern
die Bekanntschaft mit allen existierenden Maurergraden und
Systemen ermöglichen sollte". Im Laufe der Unterredung liess
Kellner dann diesen Titel fallen und "legte Gründe und
Unterlagen", über die uns weiter nichts mitgeteilt wird, "vor für
Annahme der Bezeichnung 'Orientalische Templer'". Erst 1902 konnte
Kellner's Idee verwirklicht werden. Jedoch (man staune!) von den
"Orientalischen Templern" ist keine Rede mehr, sondern was das
Licht der Welt erblickte, war das angeblich fallgengelassene
Konzept einer "Academia Masonica" in Form des Memphis-Misraim-
Ordens.
Im schon erwähnten Nachruf Hartmanns auf Kellner in der Oriflamme
vom Juni 1905 wird das Gespräch Kellners mit Reuss im Jahr 1895
überhaupt ganz anders geschildert - nur war Reuss zweifellos
dabei. Hartmann wahrscheinlich nicht. Hartmann stellt von
vornherein alles auf Memphis-Misraim ab und meint, Kellner habe
mit dem "Frater Merlin", also mit Reuss, schon 1895 "den Plan
gehagt, die alte Hochgrad-Maurerei", in der Kellner auf seinen
"weiten und häufigen Reisen in England und Amerika die höchsten
Grade und Würden" erworben hatte, "die ein Maurer überhaupt
erlangen kann", "auch in Deutschland einzuführen". Aber erst 1902
"wurde der Plan in die Tat umgesetzt", als Kellner "im Dezember
dieses Jahres von Bruder Yarker in Manchester persönlich in den
96. Grad eingeführt und zum Souveränen Ehren-General-Grogmeister
unseres Ordens proklamiert" wurde. Punktum!
Die von mir eingesehene Urkunde zu diesem Vorgang ist am 27.
Dezember, dem Fest des Evangelisten Johannes, ausgestellt und
bezieht sich lediglich auf den "Ancient and Primitive", also den
mit dem Misraim-Ritus vereinigten Memphis-Orden. Von einem O.T.O.
ist in dem Dokument (ich habe es mehrmals sehr sorgfältig geprüft)
keine Rede. Mir ist auch kein anderes, zu Lebzeiten Kellners
ausgestelltes Dokument untergekommen (Carl Kellner starb am 7.
Juni 1905), aus dem man eine O.T.O.-Gründung ableiten könnte. Das
von Karl R.H. Frick im zweiten Band von "Die Erleuchteten"
angegebene Datum "1. September 1901" ist mir völlig
unverständlich. Wohin ist also der 1895 angeblich von Kellner
gewünschte Name "Orientalische Templer" entschwunden? Dafür taucht
bei Reuss in der "Jubiläumsausgabe der Oriflamme 1912" die
"Hermetic Brotherhood of Light" wieder auf. Reuss schreibt, deren
"rosenkreuzerische, esoterische Lehren wurden reserviert für die
wenigen Eingeweihten des Okkulten Inneren Kreises. Die Erkenntnis-
Stufen dieses Inneren Kreises von Eingeweihten liefen mit den
höchsten Graden des Memphis- und Misraim Ritus parallel" (gehörten
also selbst nicht zum Ritus), "und diese 'Eingeweihten' bildeten
den geheimen Stamm des Orientalischen Templer-Ordens".
Aus allen Unterlagen geht eindeutig hervor, dass Carl Kellner der
Leiter des "Okkulten Inneren Kreises" war. Wobei nicht ganz klar
ist, ob es auch noch andere "Innere Kreise" gab, etwa die
"Esoterischen Rosenkreuzer", die offenbar unter der Leitung von
Reuss standen. Reuss hatte ja behauptet, dass er das okkulte
Wissen unabhängig von Kellner ebenfalls aus dessen Quellen
erhalten hatte, wobei ich an die Randolphsche sexualmystische
Rosenkreuzerei denke. Die Anwerbung geeigneter Leute zu diesen
initiatischen Gruppen oder "Erkenntnis-Stufen" ging offenbar so
vor sich, dass man den Maurern verschiedenster Systeme, die alle
im vielgradigen Memphis-Misraim gesammelt waren, sagte: "Die
symbolische Arbelt, die Ihr in Euren Ritualen leistet, ist noch
nicht das Wahre. Die Symbole haben eine sehr praktische okkulte
Bedeutung, die wir Euch vermitteln können." Dieses Wissen, das
wird immer wieder betont, kommt nicht aus dem Memphis-Misraim
seibst, sondern "von aussen", und es wird auch nicht im Memphis-
Misraim selbst weitergegeben, sondern daneben. Es gab nur wenige
Eingeweihte. Selbst wichtige Hochgradinhaber wussten nicht, was
sich hier abspielte.
Doch hat Emil Adriányi, der mit Reuss verfeindete ehemalige
Grosssekretär von Memphis-Misraim am 8. September 1906 Rudolf
Steiner "nach gründlichem Studium" der drei Riten (Schottisch-
Cerneau, Memphis, Misraim) brieflich mitgeteilt, dass zwar der aus
diesen Riten bestehende "Orden von Reuss" selbst keine "Übungen"
kennt, Reuss aber nach angeblicher Rücksprache mit Kellner die
Übungen "eines von ihm ausgewählten inneren Schülerkreises mit dem
jetzigen 'A.Pr.Ritus' verquickt" hat. "A.Pr." bedeutet "Ancient a
nd Primitive". Es ist der Memphis-Ritus, nicht der von Misraim!
Öffentlich entpuppt hat sich der Innere Krels erst 1906 durch die
von Reuss veröffentlichten Statuten: in der auf den 22. Jänner
datierten englischen "Constitution" und den mit dem Datum 21. Juni
1906 versehenen deutschsprachigen "Allgemeinen Satzungen" des
O.T.O. Schliesslich taucht in jenem Edikt von Reuss, durch das die
drei Riten (Schottischer, Misraim, Memphis) in Deutschland "ab 24.
Juni" getrennt werden, in der grossen Titulatur von Reuss auch die
Bezeichnung "Souveräner Ordensmeister der Orientalischen Templer-
Freimaurer" auf. Und dem christlichen Datum A.D. 1906 ist das
templerische A.O. (d.i. Anno Ordinis) 788 beigefügt.
Steiner übernimmet den Misraim-Ritus
Ostern 1906 war Rudolf Steiner von Reuss erlaubt worden, in Berlin
"ein Kapitel und einen Grossrat der Adoptionsmaurerei unter dem
Namen 'Mystica aeterna' zu gründen". Den Ritua, in dem Rudolf
Steiner in Deutschland "selbständiger Amtierender General-
Grossmeister" ist, nennt Reussens Schreiben vom 15. Juni 1907. Er
ist Misraim, nicht der laut Adiányi mit den ominösen "Übungen"
verquickte Memphis-Ritus. Dieser verbleibt bei Reuss, der nun im
Briefkopf auch "Order of Oriental Templars and Esoteric
Rosicrucians" stehen hat [Faksimile in König, Der Grosse Theodor
Reuss Reader].
In den "Allgemeinen Satzungen" des O.T.O. ist zu lesen, dass unter
diesem Namen "ein internationaler Verein re-organisiert und re-
konstitutiert" worden ist. Welcher Verein ist gemeint? Die Antwort
(ich zitiere aus der mir vorliegenden Monte Vérità-Fassung der
"Constitution" von 1917: Es ist "The Hermetic Brotherhood of
Light". Jedoch: "The totality of the degrees of the
O.T.O.consitute an 'Academia Masonica'". So schliesst sich der
Kreis, in dem Rudolf Steiner nicht enthalten ist, und es auch
niemals war.
Kellner ais "geistiger Vater" des O.T.O.
In seiner Kritik des 1914 erschienenen Winkellogen-Buches
erinnerte Reuss den Autor Eberhardt daran, dass bereits 1905
rechts neben der Eingangstür von Reussens Haus in Berlin ein
Messingschild angebracht war mit der Aufschrift "Souveränes
Sanktuarium des Ordens der Orientalischen Templer". Auch in den
Erinnerungen der Nachkommen Carl Kellners kommt ein Messingschild
vor, das sich auf das "tantrische Geheimnis" bezogen haben und an
der Villa von Kellners Frau auf der Wiener Hohen Warte befestigt
gewesen sein soll. Im Nachlass Kellners konnte ein solches Schild
trotz eifriger Suche nicht gefunden werden. Ich erspare Ihnen und
mir weitere Spekulationen. Aus dem bisher Gesagten ziehe ich den
Schluss, dass man Carl Kellner als "geistigen Vater" des O.T.O.
ansehen kann. Aber oft tun die Söhne nicht das, was der Vater
wollte. Und ob Reuss alles richtig verstanden und nicht manches
missverstanden hat, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls
verteidigte Reuss noch in seinem Testament vom 20. Dezember 1922
seine "von Dr. Carl Kellner mir überlieferten Lehren".
Yoga durch Körperanstrengung
Sicher ist, dass Carl Kellner Yoga lehrte. Als Yoga-Experte war er
auch in wissenschaftlichen Kreisen nicht unbekannt. So nannte ihn
William James in einer Fussnote seines Buches "The Varieties of
Religious Experiences" von 1902 "an European witness" für Yoga.
James kommt der Verdienst zu, die Religionspsychologie populär
gemacht zu habens wobei er die Annahme eines spezifischen
"religiösen Gefühls" ablehnte. Seine Theorie der religiösen
Erfahrung ist von der einflussreichen Chicagoer Schule der
Religionswissenschaft weiterentwickelt worden. Carl Kellners
besonderes Interesse galt dem Hatha-Yoga, dem "Yoga durch
Körperanstrengung". In der Theosophie, angefangen von Madame
Blavatsky selbst bis zu Kellners Freund Franz Hartmann, stand
Hatha-Yoga in einem sehr schlechten Ruf. Man sah in ihm "schwarze
Magie". Die schwierigen Körperstellungen des Hatha-Yoga
erforderten eine gute athletische Ausbildung. Der hatte sich Carl
Kellner bei dem damals "stärksten Mann von Wien", dem
international renommierten Keulenschwinger Georg Jagendorfer,
unterzogen, der in der Wiener Innenstadt eine Athleten-Schule
betrieb, in der neben dem Keulenschwingen auch der Ringkampf und
das Boxen gelehrt wurden. Kellner erwarb derartige Kräfte, dass er
es angeblich sogar mit "Bierabträgern" aufnehmen konnte, mit jenen
Männern, die schwere Fässer von den Brauerei-Fuhrwerken abladen
mussten. In seinen Villen liess Kellner Gymnastikräume einrichten,
wo Jagendorfer ihm und seinen Kindern Privatunterricht gab. Der
Umgang des "Herrn Doktor" mit dem Athleten war leutselig.
Jagendorfer durfte sich nach jeder Privatstunde in der Küche der
Familie Kellner ein ganzes "Backhendel" und eine Flasche Wein
genehmigen.
Das Interesse für Athletik war um 1885 aus Amerika und England
nach Österreich gekommen, zunächst nach Prag. Doch bald gab es
auch in Wien einige Vereine für "englische Athletik", von denen
der vornehmste der "Wiener Athletiksport-Club" war, mit den
Mitgliedern Kellner und Jagendorfer und geleitet vom Chefredakteur
der Allgemeinen Sport-Zeitung, späteren Wiener Stadtrat und
Parlamentsabgeordneten Victor Silberer (geb. 1846), einem Freund
Kellners. Victor Silberer und Carl Kellner betrieben auch den
Reitsport. Victor Silberer gilt als Österreichs Luftfahrtpionier:
1885 gründete er die "Wiener Aeronautische Anstalt", 1901 den
"Wiener Aero-Club". Sein Sohn Herbert stellte Weiten- und
Höhenrekorde mit Ballons auf. Herbert Silberer (1882-1923),
Freimaurer und Psychoanalytiker, der sich - parallel zu C.G. Jung
- mit der Erforschung von Mystik, Alchemie, Hermetischer Kunst,
Rosenkreuzerei und Okkultismus befasste, war kurze Zeit mit einer
Tochter Carl Kellners verlobt. Über das von Kellner als grosse
Hilfe für die Atemübungen des Yoga geschätzte Keulenschwingen
sagte Victor Silberer: "Dieses kräftigt, wie sonst keine
Spezialübung, die ganze Brust, es befördert grossartig die Atmung,
steigert beträchtlich in durchaus gesunder und ungefährlicher
Weise die Lungen- und Herztätigkeit, weitet den Brustkorb, stärkt
dessen ganze Muskulatur, kurz, es verschafft dem Körper des viel
Sitzenden gerade jene Anregungen und Bewegungen, deren er dringend
bedarf."
Hatha-Yoga-Praktiken
Das ist also ein guter Ausgleich zu den Sitzhaltungen des Hatha-
Yoga. Ich nenne als Beispiel Siddhasana, den "vollkommenen Sitz",
von dem es in der Hatha-Yoga-Pradipika heisst: "Eln Yogi, der
zwölf Jahre hindurch massvoll isst und den Atman bedenkt, immer im
Siddhasana sitzt, erlangt die Vollendung." (I, 40) Im
"vollkommenen Sitz" werden "drei Verschlüsse" (Bandhas)
durchgeführt: Der Halsraum wird dadurch verschlossen, dass das
Kinn langsam und entspannt zur Brust hin abgesenkt wird, was den
Blutdruck niedrig hält. Fersendruck gegen den Damm verschliest den
Rumpf von unten und regt den Blutkreislauf an. Der "mittlere
Verschlug" hebt den Bauchbereich mit dem Zwerchfell leicht an und
bewegt ihn zur Wirbelsäule hin. So kann der "gezügelte" Atem bei
stabilisiertem Rumpf zu weiteren Übungen verwendet werden. Carl
Kellner selbst beschreibt in seinem Büchlein "Yoga - Eine Skizze
über den psycho-physiologischen Tell der alten indischen
Yogalehre", das er dem III. Internationalen Kongress für
Psychologie 1896 in München gewidmet hat und das ich als Anlage zu
meinem Satanismus-Buch neu publiziert habe, als Beispiel "nur die
so häufig erwähnte Padmasana (Lotus-Stellung)", und er hält solche
Stellungen, die "doch nur von den sogenannten Schlangenmenschen
unserer Zirkusse oder Varieté-Theater ausgeführt werden können"
für uns "Abendländer" für nicht praktikabel und zitiert den
"weisen Patanjali", den Autor des klassischen Yoga-Sutra:
"Stellung ist die, welche fest und angenehm ist", übrigens mit
einer falschen Quellenangabe (Sloka 4 statt richtig Sloka 46). Ich
sage das, weil Kellners Text voller Druckfehler ist, der in einem
Fall zu allerlei tiefsinnigen Spekulationen über versteckte
sexualmagische Hinweise geführt hat. Merkwürdigerweise hat Theodor
Reuss diesen Druckfehler nicht bemerkt, sondern weitergeschleppt.
Es handelt sich um den sechsten "Vayu", einen der zehn sogenannten
"Winde", die für die verschiedenen inneren und äusseren
Körperfunktionen verantwortlich gemacht werden. Im Yoga-Büchlein
und bei Reuss heisst dieser Wind "Napa" und "vollzieht die
Befruchtung". Im Abschnitt "Mysteria Mystica Maxima", so heisst
der von Aleister Crowley geleitete grossbritannisch-irische Zweig
des O.T.O., auf S.22 der "Jubiläumsausgabe der Oriflamme 1912",
wird Kellners Yoga-Büchlein zitiert und mit den Worten
kommentiert: "Mit den an sechster Stelle genannten Vayus Napa (im
Reproduktionsorgan) beschäftigt sich nun die Sexual-Magie. Diese
Übung wird die 'Transmutation der Reproduktions-Energie'" genannt.
Den Begriff "Napa" gibt es jedoch nicht. In dem vom Sanskrit-
Gelehrten Rama Prasad 1889 in Indien für Madame Blavatsky ins
Englische übersetzten Kapitel des tantrischen Shivagama hat der
Vayu den Namen "Naga" und verursacht das Rülpsen. Es gibt noch
eine weitere Unstimmigkeit: Bei Kellner "verursacht Krikara", der
achte "Wind", das "Niesen". Im Shivagama hingegen "verursacht er
das Hungergefühl". Ob abgesehen von dem Druckfehler - Kellner oder
seine Quelle falsch übersetzt hat oder eine andere tantrische
Tradition vorliegt: Nirgends findet man bei Carl Kellner selbst
Hinweise auf sexualmagische Praktiken unter Verwendung eines Vayu
"Napa" oder"Naga".
Lebendig begraben
Nur ganz allgemein (in seiner Definition von "Mudra") spricht
Kellner von einer "Verdichtung der Aufmerksamkeit auf einen der
genannten Vayus". Kellner schrieb, das Yoga-System mache "seinen
wahren Jünger" zu einem"guten, gesunden und glücklichen Menschen"
und eröffne ihm einen grossartigen "neuen Horizont". Der Yogi
werde durch Beherrschung seines Körpers und seiner Gedanken ein
"Charaktermensch". Weil er Triebe und Neigungen seinem auf das
Gute gerichteten Wollen unterwirft, werde er eine von anderen
schwer zu beeinflussende "Persönlichkeit", sei also "so ziemlich
das Gegenteil" eines "Mediums". Allerdings war Kellner einer jener
Experten, die Yoga als eine Methode der "Autohypnose" (längere
Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf einen Punkt) interpretieren.
Yoga, meinte er, sei "die durch andauernde Übung und geeignete
Lebensweise erlangte Befähigung zur willkürlichen
Selbsthervorrufung aller Erscheinungen des Somnambulismus".
Psychologisch handelt es sich dabei um quantitative
Bewusstseinsstörungen, Veränderungen der Vigilanz, des Wachseins,
mit den Stufen Benommenheit, Somnolenz, Sopor und Subkoma-Koma.
Die yogischen Entsprechungen wären Konzentration (dharana),
Kontemplation (dhyana) und Versenkung (samadhi). Damit erklärte
Kellner die Trance-Demonstrationen von Yogis, die damals Europa
bereisten.
Einen von ihnen, den besagten Bheema Sena Pratapa, hat Kellner in
München vorgestellt und nach Oxford zu dem berühmten Professor
Friedrich Max Müller, Begründer der Vergleichenden
Religionswissenschaften und Herausgeber der Reihe "Sacred Books of
the East", weitergeschickt. Kellner erwähnt auch, dass sich
indische Fakire in eine "an Scheintod gemahnende Lethargie"
versetzen können. Franz Hartmann, der damit vor dem Hatha-Yoga
warnen wollte, nannte den vom englischen Physiologen Braid
untersuchten und in der indologischen Literatur zitierten Fall des
bengalischen Fakirs Haridas, der sich in einem kataleptischen
Zustand (bei extrem herabgesetzter Atem- und Herztätigkeit)
zwischen 1828 und 1837 viermal lebendig begraben und nach vierzig
Tagen wiederbeleben lieg. Der letzte Versuch endete freilich
tödlich. Haridas wandte die in der Hatha-Yoga-Pradipika
aufgezeichneten Techniken "Kuh-Essen" und "Hals-Verschluss" an.
Beim "Essen der Kuh" wird die Zunge "verschluckt", so dass die
Luftröhre verschlossen wird, und das Absinken des Kinns auf das
Brustbein zusammen mit willkürlichen Kontraktionen der
Halsmuskulatur reizt jene Nerven, die Atem und Herzschlag
beeinflussen können.
Kellners Stellung zu den verschiedenen Yoga-Praktiken
Aus dem Text von Kellner geht hervor, dass er selbst kein Anhänger
solcher "wahnwitzigen" Methoden war. Auch wollte er sich in dem
Büchlein als Praktiker so wenig wie möglich zut Philosophie des
Yoga äussern. So bewertete er auch nicht die dualistische Samkhya-
Lehre, mit der Patanjalis klassischer Yoga verbunden ist. Im
Garten seiner Villa auf der Hohen Warte in Wien befand sich
allerdings eine Grossplastik, die man als Denkmal für den
Dualismus Natur-Seele (Prakriti-Purusha) deuten kann. Andererseits
identifizierte er sich (das geht aus einigen Notizen hervor) mit
dem Monismus der vedischen Atman-Brahman-Gleichung und des
vedantischen Advaita. Im Silberknauf seines Spazierstocks ist die
heilige Silbe OM einziseliert. OM ist das auch von Hartmann
hochgeschätzte Wortsymbol Brahmans und des in der Versenkung
(samadhi) zu realisierenden nichtkonditionierten "Vierten" und
höchsten Zustandes (turiya) im Yoga; das ist hellwache
Aktiviertheit ohne Ich-Erleben. Das Bewusstsein des Gesondertsein
hört, wie uns Carl Kellner belehrt, auf, und es werden "der Seher
und das Gesehene Eins" [P.R.K.: so wie auch Reuss berichtet]. Der
von der Theosophie zum Unterschied von Hatha-Yoga propagierte
Raja-Yoga, "die direkte Vereinigung des Einzelbewusstseins mit dem
Allbewusstsein", liefert "die Suggestion zu diesem selbst-
induzierten somnambulen Zustand, welcher dann, da das suggerierte
Objekt ein erhabenes, heiliges ist, von unaussprechlichem
Glücksgefühl begleitet ist".
Von persönlicher Bedeutung für Kellner war der in Patanjalis Yoga
Sutra nach Unterdrückungs-Yoga, theistischem Yoga sowie der
Samapatti-Meditation skizzierte achtfache Pfad mit "Samyama", der
Zusammenfassung der drei "inneren Yoga-Stufen" Dharana, Dhyana und
Samadhi (Konzentration, Kontemplation und Versenkung). Durch
"Pratyahara", der willkürlichen Beherrschung der
Sinneswahrnehmungen vorbereitet (Kellner führt als Beispiel den
Zustand eines Hypnotisierten an, dem suggeriert wird, die rohe
Kartoffel sei eine süsse Birne), ist "Samyana" im Rahmen einer
Mudra-Kombination, also verbunden mit Körperhaltungen, ein
vielleicht ursprünglich schamanistischer Meditationsweg, der auf
den Erwerb von Wunderkräften (Siddhis) wie Unsichtbarwerden,
Aufhören von Hunger und Durst, Vollkommenheit des Körpers, Macht
über das Gewordene, Meisterung der Urmaterie usw. ausgerichtet
ist. Allerdings betrachtet laut Kellner der auf Erlösung bedachte
"richtige Yogi" die Zauberkräfte sogar als störend.
Kellners Rückführungen
In einem handschriftlichen Protokoll, betitelt "Reincarnation"
(hinzugefügt sind die Ziffer 3 und die Pluralendung "en") gibt uns
Kellner Einblick in eine seiner Sanyama-Obungen zut Rückführung in
frühere Verkörperungen: Wenn die Sitzhaltung (Asana) stetig und
der Atem gezügelt ist (Pranayama), erscheint (Pratyahara) eine
azurne Flamme, die Kellner fixiert (Dharana) und in die sich sein
Ich hineinbegibt (Dhyana). Im Samadhi schaut er in die Zeit zurück
und sieht sich, bekleidet mit einem gelben Mantel, auf dem Kopf
eine nach vorne gebogene Mütze (also offensichtlich in der
Gewandung eines tibetischen Mönchs) "in einer der grossartigen
Sternennächte Chaldäas, im alten Babylon". Er ist verheiratet.
Seine Frau, "schlank, doch auch üppig geformt", ist in glitzernde
Seidenstoffe gehüllt. Nun ist er Priester, "ein Diener der
Schamaja", und steigt auf den Turm, um seiner weiblichen Gottheit
Feuer zu opfern. Dieses Feuer aber ist (an diesem Punkt beginnen
sich die visualisierten Objekte aufzulösen) identisch mit dem
Licht der Sterne, der Sonne, dem Licht seines Lebens, allen
Lebens, des Lebens der Brüder und Schwestern (es ist also keine
reine, sondern eine mit Assoziationen verbundene Lichtschau)
[P.R:K.: vergleiche Crowleys Nuit]. Er spricht "den alten Segen
auf Aramäisch. Der Morgen dämmert". Kellner nannte sich "Renatus".
Er schaute sich auch als Wiedergeburt eines Platon-Schülers und
eines Athleten. Psychoanalytisch wäre der Aufstieg zum Feueropfer
als ein sexuell-tantrischer Akt im Kundalini-Yoga zu deuten.
Er liess sich von Nattern in die Zunge beissen
Im Yoga-Büchlein schreibt Kellner, dass Hatha-Yoga unter Umständen
sehr gefährlich sein kann. Deshalb soll die Sache "niemals ohne
Anleitung eines erfahrenen Führers ('Guru' nennen ihn die Inder)
versucht werden". Als die Gurus Kellner werden immer wieder ein
Araber und zwei Inder genannt, darunter der besagte Bheema Sena
Pratapa aus Lahore, der Im Yoga-Büchlein erwähnt wird. Bereits
Gustav Meyrink liess 1907 kein gutes Haar an diesen drei Männern:
dem "unverwundbaren Oberkellner Hadji Soliman ben Aissa aus Lyon,
der sich von harmlosen Würfelnattern in die Zunge beissen lieg",
"Pratapa, der in Budapest seinen Atem zwei Stunden lang anhielt",
und dem "schwindelhaften Brahmanen Agamya", der "in Wien und
Berlin den Schlag seines Herzens und zugleich auch die Logik und
Wahrheitsliebe der Zeitungsberichterstatter zum Stillstand
brachte".
Tatsächlich hatten sich die drei mit finanzieller Hilfe auch des
wohlhabenden Fabrikanten Carl Kellner in verschiedenen
europäischen Städten öffentlich produziert. Kellner, der sich oft
geschäftllch in Bosnien aufhielt, war an islamischer Mystik und
dem Sufismus sehr interessiert. Das mag seine Bekanntschaft mit
Hadji Soliman erklären. Von Pratapa ist ausser einem Foto, das ihn
mit Carl Kellner zeigt und das ich demnächst veröffentlichen
werde, nichts überliefert. Agamyas Lehre ist etwas besser bekannt.
Denn er hat auf drei Reisen zwischen 1900 und 1903 mit
Wissenschaftlern in Cambridge und Oxford Kontakt aufgenommen, und
1905 in London sein Buch "Sri Brahma Dhara - Shower from the
Highest", publiziert. Der Oxforder Professor Friedrich Max Müller
(1823-1900) nannte Agamya im August 1900 ehrfürchtig "the only
Indian saint I had ever known". Was die zwei Inder demonstriert
hatten, ist im Yoga-Büchlein als "Stufen des Somnambulismus von
der Somnolenz aufwärts". d.h. bis zur Katalepsie, erwähnt und als
"Nirvikalpa Samadhi Stufe" bezelchnet worden. Das entspricht der
Auffassung von Versenkung (Samadhi) als Yoga-Schlaf (Yoga-Nidra).
"Nirvikalpa" ist Versenkung ohne Bewusstsein seiner selbst, deren
einzig mögliche Sprache das Schweigen ist. Das zu überwindende
Vorstadium ist der glückselige Zustand des "Savikalpa Samadhi".
Zu den Hindernissen gehört auch "kashaya", der Zauber
verführerischer visionärer Rückerinnerungen. Kellners Samyama-
Meditation ist erfüllt vom Bild ("oh wie schön!") seiner Frau:
"Ja, das bist Du - aus diesem Auge leuchtet die gleiche liebe
Seele." Angeblich (die Behauptung stammt von dem Ludendorffianer
und Verschwörungstheoretiker Jean Paar aus dem Jahr 1912) soll
Kellner gegenüber Hartmann gestanden haben: "Ich mache meine
Übungen, komme ein wenig in die Höhe und purzle dann um so tiefer
wieder hinab. Ich fürchte die hütenden Scharen." Hartmann soll
dies mit dem Hinweis auf Ikarus kommentiert haben, "von dem die
Mythe erzählt, dass er versucht habe, mit wächsernen Flügeln zur
Sonne emporzusteigen. Aber die Flügel schmolzen, und er fiel." Das
erinnert an den bei den damaligen Esoterikern beliebten Roman
"Zanoni" von Bulwer-Lytton, in dem die Romanfigur Glyndon (wie
Kellner "an aspirant to the stars that shine in the Shemajá of the
Chaldaean lore") als Typus die "unsustained aspiration" mancher
Okkultisten repräsentiert.
Agamyas Atom-Yoga
Agamya war fünf Jahre älter als Kellner, stammte aus dem Punjab
und wirkte als Richter an Indiens oberstem Gericht, bis er sich
entschloss, Yogi zu werden. Er war davon überzeugt, dass dieses
Leben seine letzte Inkarnation ist. Er praktizierte den Paramanu-
Yoga (Atom-Yoga), eine Spielart des vedantischen Maya-Yoga. Nach
dem Maya-vada, der Lehre des "Fürsten" der Vedanta-Philosophie
Shankaracharya (etwa 800 n.Chr.) ist die Vielfalt der geschaffenen
Welt lediglich "Maya", zauberischer Schein, der das Eine und
Höchste (Brahman) verhüllt. Sie ist aber auch eine Kraft der
Offenbarung des Höchsten. Agamya lehrte nun, dass Maya ein Im
Ozean des Einen schwimmender Tropfen, ein selig schwingendes
Uratom ist, aus dessen Gärung immer weitere Atome hervorgehen.
Deren Verklumpung bildet unsere räumlich-zeitliche "Realität", die
jedoch nur Schein ist. Das Atom ist ein Speicher ungeheurer
Krifte, deren sich der Atom-Yogi auf seinem Weg zum Höchsten
bedienen kann. Es sind dies die durch Samyama entbundenen Siddhis,
wie z.B. die Erinnerung an frühere Verkörperungen. Im Atom-Yoga
wird das Atom selbst anvisiert (Kellners "azurne Flamme"). Das
höchste Ziel ist jedoch Nirvikalpa-Samadhi, die Involution aller
Kräfte in das Uratom und das Verschwinden der Maya im Ozean des
höchsten Bewusstseins (Brahmans). Die genauen Anleitungen für die
Konzentration des Yogi auf die atomaren Kräfte gab Agamya nur
mündlich weiter und verbot seinen Schülern, diese publik zu
machen.
Kellner wurde feierlich verflucht
Nach dem Bericht von Kellners Witwe kam es deshalb 1903 in Hallein
zwischen dem Mahatma und Carl Kellner zu einer schweren
Auseinandersetzung, an deren Ende Agamya seinen Schüler feierlich
verfluchte. Denn Kellner hatte Einzelheiten der Yoga-Techniken,
die zur Erlangung von Siddhis notwendig waren (Kellners Witwe
nannte ausdrücklich die Lebensverlängerung), an seine "Brüder und
Schwestern" Im Okkulten Inneren Kreis "verraten". Kellners
Laborunfall, seine schwere Krankheit 1904 und sein plötzlicher Tod
1905 wurden von seiner Witwe als Folgen dieses Fluchs angesehen.
Reuss und später Crowley dachten eher an eine yogische Krankheit,
die durch stümperhafte Anweisungen des nach ihrer Ansicht
unfähigen "Gurus" Agamya verursacht worden sei. Aleister Crowleys
Hass auf den Mahatma kommt besonders deutlich in einem Bericht von
Sam Hardy (Colonel Fuller) in Crowleys Zeitschrift The Equinox
(September 1910) zum Ausdruck. Darin wird ein Auftritt "Seiner
Heiligkeit" geschildert, bei dem der Meister des Atom-Yoga eine
äusserst schlechte Figur gemacht und lauter Blödsinn von sich
gegeben haben soll. Daraufhin habe Sam Hardy den Guru in dessen
hindustanischem Dialekt beschimpft: "Chup raho! tum suar ke
bachcha ho!". Meine Übersetzung: "Halt's Maul! Du bist ein
verdammtes Schwein!" Nach diesem Insult habe diese "666th
incarnation of Haram Zada!" (ein im Islam gebräuchliches
Schimpfwort, das einen legendären teuflischen Menschen bezeichnet)
zu toben begonnen und einen epileptischen Anfall erlitten.
Gerüchte um Kellners Tod
Es wird erzählt, dass Kellner in seinem Laboratorium niedere
geistige Wesen an sich zog und verschiedene Spukerscheinungen
hervorrief. Es handelt sich dabei um Legendenbildung. "Fama
crescit eundo" heisst es bei Vergil. An der Gerüchteproduktion hat
sich der schon genannte Ludendorffianer Jean Paar massgeblich
beteiligt. Seine Behauptungen in dem Buch "Weisse und schwarze
Magie" von 1912 wurden immer wieder zitiert. Vor mir liegt ein
Artikel aus der Wiener Sonn- und Montagszeitung vom 4. August
1924, in dem der Verfasser Paar seine Meinung wiedergibt, seine
Mystifizierung Carl Kellners aber auch noch an zwei anderen
Punkten festmacht: An der Architektur der damals noch
existierenden Villa auf der Hohen Warte und an der Meinung,
Kellner sel ein Alchemist gewesen, allerdings "nicht der
richtige". Er "erlitt mit seinem Verfahren deshalb Schiffbruch und
büsste es deshalb mit dem Tode, weil ihm die geistigen
Voraussetzungen zur Alchimie im höchsten Sinne fehlten". Über die
Villa heisst es in dem Zeitungsartikel: "Wer heute die Hohe Warte
hinanwandert, begegnet einer seltsamen Villa, deren Giebel und
Firste mit den geheimnisvollen Zeichen der Kabbala geschmückt
sind. Man sieht die Ursymbole der Alchimie und die vier
apokalyptischen Tiere, ein Schmuck, den bekanntlich auch eine
kleine Pariser Kirche aufweist. In dieser Villa oblag Dr. Karl
Kellner seinen mysteriosen Studien." Weiter heisst es: "Er schloss
sich Tag und Nacht in sein Laboratorium ein und magerte bis zum
Skelett ab. Sein Tod war nichts anderes als die bittere Frucht
seiner Bemühungen um das letzte Geheimnis der Alchimie." Der Titel
des Aufsatzes lautet: "Der Goldmacher von der Hohen Warte, Dr.
Karl Kellner und seines Assistenten geheimnisvoller Tod und das
Geheimnis der Alchimie".
Die Villa Kellners
Wie die Villa tatsächlich ausgesehen hat, zeigt das Foto aus
meinem Archiv. Keine Rede von vier apokalyptischen Tieren und
kabbalistischen Zeichen. Man erkennt zwei assyrische Sphingen an
den vorderen Ecken des Flachdaches, das damals eine
architektonische Neuerung darstellte. Rund um das Oberservatorium
sind die Tierkreissymbole angebracht. Auf der Mitte des Firsts
beeindruckt der bärtige "Baphomet" der Templer. Meines Erachtens
ist dies eine Allegorie des menschlichen Geistes ("Ras el Fahmat",
der "Nous poletikos" des arabischen Aristotelismus), der Sonne und
Mond, Männliches und Weibliches an sich kettet, sie im shaktisch-
shaivitischen Hatha-Yoga vereint. Dass es genau darum geht, zeigt
auch die viersaitige Phorminx unter dem bärtigen Haupt. Sie schien
im gezeichneten Plan des Architekten noch nicht auf und soll
Shivas Vina bzw. die Harfe Kalis darstellen. Darunter befinden
sich sieben kreisrunde Scheiben: Töne, Planeten, Farben,
Prinzipien im Menschen. Die Architektur stammt von Massimo
Fabiani, Kompagnon des Wiener Stadtplaners Otto Wagner, Atman-
Philosoph und Kellners Freund aus der Görzer Zeit.
Die Villa gehörte nicht Carl Kellner selbst, sondern sie war ein
Geschenk Kellners an seine um 14 Jahre jüngere Ehefrau Marie
Antoinette (sie identifizierte sich mit der gleichnamigen
französischen Königin) aus der Triestiner Hoteliersfamilie Delorme
("von der Ulme" - bei den französischen Delormes war einige Zeit
Baudelaire einquartiert). Nach dem Tod ihres heissgeliebten Carl
verheiratete sich Marie mit einem um 17 Jahre jüngeren znveiten
Mann, der sie um nur ein Jahr und neun Monate überlebte. Marie
Kellner war eine von ihrem ersten Mann geförderte Malerin und
Fotokünstlerin. Als Mitglied der Memphis-Misraim-Frauenloge trug
sie eine Brosche mit dem Sphinx vor der Pyramide. In den
Adoptionslogen war für jedes weibliche Mitglied ein männlicher
Freimaurer verantwortlich. Bei Marie war es selbstverständlich
Carl. Auf der nicht sichtbaren Rückseite der Brosche befindet sich
deshalb das Porträt von Carl Kellner. In das theosophische
Meditationsbüchlein seiner Frau schrieb Kellner eine lange
Widmung, in der er die Liebe besingt. Sie selbst betonte in einer
Notiz die Wichtigkeit des Willens für das spirituelle Leben.
Kellners alchemistische Experimente
Carl Kellner, der zwar ein grossartiger Erfinder war, aber kein
kaufmännisches Talent hatte, wurde 1903 von seinen Kompagnons als
Fabrikleiter in Hallein abgesetzt. Er war jetzt lediglich Aktionär
des Konzerns und Chef seines grossen Wiener Laboratoriums, das
sich jedoch nicht, wie immer behauptet wird, in der Villa befand.
1903 übersiedelte Kellner nach einer Abschiedsparty in Hallein,
auf der ihn Agamya verfluchte, nach Wien in die eben
fertiggestellte Villa seiner Frau, wo er sich ganz seinen Yoga-
Übungen widmen wollte. Da kam es im Wiener Labor zu jenen
Unglücksfällen, bei denen ein Chemiker getötet und Carl Kellner
schwer verletzt wurde. Das hatte nichts mit Spukerscheinungen zu
tun, sondern mit der Art seiner angeblich alchemistischen
Experimente. Kellner hatte nämlich 1895 und 1896 bereits in
Hallein versucht, Elemente umzuwandeln und neue Elemente zu
erzeugen, und zwar nicht in einem sanften und langsamen Verfahren,
wie es bisher in der Alchemie üblich war, sondern unter hohem
Druck und elektrischer Hochspannung.
Zur selben Zeit machte in Amerika der Chemiker und Erfinder eines
Sprengstoffes, Dr. Stephen H. Emmens, einen ähnlichen Versuch. Er
postulierte ein Basismetall für Silber und Gold namens
"Argentaurum" und meinte, es könne durch Auflockerung zu Silber
und durch starke Komprimierung zu Gold gemacht werden. Tatsächlich
erzeugte er 1897 sechs Barren einer Gold-Silber-Legierung. 1899
schrieb der New York Herald darüber unter dem Titel: "Dleser Mann
macht Gold und verkauft es an die Münze der Vereinigten Staaten!
Ist Dr. Emmens ein moderner Rosenkreuzer?"
Theoretisch hatte sich Kellner 1881 in Görz mit der "Entstehung
der Arten Im Anorganischen" befasst. Der Text dieser Studie ist
leider verschollen. Im Oktober 1896 übergab er der Akademie der
Wissenschaften zu Wien ein Manuskript "Experimenteller Beweis über
die Verwandelbarkeit der Grundstoffe" mit einer genauen Skizze
seiner Druckanlage. In dem Text behauptet er, Materie und Energie
verhielten sich wie elektrischer Strom von geringer Spannung, aber
grosser Intensität, zu einem solchen von hoher Spannung mit sehr
geringer Intensität.
Am 24. April 1902 benachrichtigte Kellner die "hohe kaiserliche
Akademie der Wissenschaften zu Wien" davon, dass er ein neues
Element mit dem Atomgewicht 100 erzeugt habe. Als österreichischer
Patriot wollte er es "Austrium (At)" nennen. Die Gutachter der
Akademie kamen bei der Analyse der eingesandten Proben zu keinem
schlüssigen Ergebnis. Bei meinen Recherchen in der Akademie
stellte sich heraus, dass die Proben des "Austrium" nicht mehr
vorhanden sind. Carl Kellner war sich zuletzt selbst nicht mehr
sicher, was er da hergestellt hatte. Jedenfalls waren diese
Experimente nicht ungefährlich. In Kellners Laboratorium kam es
häuflg zu Explosionen und zu Vergiftungen durch die dabei
freigewordenen Chemikalien.
Nach seinem Laborunfall lag Kellner längere Zeit im Spital und
fuhr dann mit seiner Frau zur Erholung nach Ägypten. Einen Monat
nach seiner Rückkehr erlitt er nach einem arbeitsreichen Tag im
Labor und einem sehr späten Abendessen einen Herzanfall. Nachdem
er sich noch selbst Kampfer gespritzt hatte, verstarb er am 7.
Juni 1905 um ein Uhr früh. Als Todesursache wurde "Herzlähmung in
Folge chronischer Eitervergiftung des Blutes" konstatiert. Am 9.
Juni wurde der Leichnam in einem Prunkwagen der Eisenbahn nach
Hallein überführt und in der Familiengruft auf dem Friedhof von
Oberalm beigesetzt. 1907 wurde er jedoch exhumiert und im Münchner
Krematorium eingeäschert. Danach fand die Urne ihren Platz in
einem Ehrengrab auf dem Halleiner Friedhof. [Fotographie König, in
Leben für die Rose].
Die Symbolik des Grabschmuckes entspricht völlig der Reussschen
O.T.O.-Ideologie. Reuss hatte sich offenbar auch finanziell am
Grab beteiligt, denn 1907 konnte keine Nummer seiner Oriflamme
erscheinen. Wichtigstes Detail an dem von Wilhelm Hejda
künstlerisch gestalteten Grab ist ausser zwei anbetenden Engeln
auf einer Art von Altarstein und dem Behang (Templerkreuz mit der
Flamme im Triangel, die Tempelsäulen Jachin und Boaz als
Obelisken) die Ikone eines O.T.O.-Marienkultes. Das ist eine
Jugendstil-Madonna ("Jungfrau Maria", "Maya") als Symbol der
freien Seele, die das Materielle (die Mondsichel, auf dem sie
steht) überwindet, als Symbol für die mystische Hochzeit (weil
sich ohne Seele der Geist nicht mit dem Körper verbinden könne)
und als Symbol lebensbejahender Liebe: Maria mit dem Kind, das die
Arme in Kreuzesform ausstreckt (die ikonologisch seltene
"bogomilische" Positur) und von seiner Mutter vor der Mitte der
unteren Hälfte des Leibes gehalten wird.
- Josef Dvorak: Carl Kellner [collected gossips and speculations about Kellner's life, Franz Hartmann, Hatha Yoga and Baphomet].
- Deutsche Version: Carl Kellner.
- Türkçe çeviri: Carl Kellner.
The grave of Carl Kellner
Back to the main page about Carl Kellner
More about all this in: Andreas Huettl and Peter-R. Koenig: Satan - Jünger, Jäger und Justiz
To the main page of Photographs and Documents
To the other chapters of the English online version of "The O.T.O. Phenomenon" book
O.T.O. Phenomenon navigation
page | main page
| mail
What's New on the O.T.O. Phenomenon site?
Scattered On The Floor
Browsing Through The Rituals