Y o g a.
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Schon seit Jahren trage ich mich mit der Absicht, die Kenntnisse und
Erfahrungen, die ich mir im Verlaufe eines langen und sorgfältigen
Studiums dieses Gegenstandes gesammelt habe, zu veröffentlichen; aber
einerseits wurde ich durch Ueberbürdung mit anderen Arbeiten vom
Schreibtische ferngehalten, andererseits zögerte ich mit einem Thema
vor die Oeffentlichkeit zu treten, welches nur zu sehr dazu angethan
ist das Schicksal des "Mesmerismus" zu teilen.
Da sich aber nun, durch die Anwesenheit und Bereitwilligkeit des Mr. Bheema Sena Pratapa aus Lahore die Gelegenheit bietet, dasjenige demonstrativ vorführen zu können, was über die im Abendlande nur sehr wenig gekannte Yogalehre gesagt werden, und was, ohne unserem wissenschaftlichen Gewissen Gewalt anzuthun, auch geglaubt werden kann, so halte ich den Augenblick für günstig, um zu sagen, was ich schon seit Jahren gerne sagen möchte. Ich werde mich bemühen, so kurz als möglich zu sein, und so wenig als möglich von der philosophischen Seite dieses Themas zu berühren. Hallein bei Salzburg, 29. Juli 1896. Dr. C. K. Was ist Yoga?Die über diesen Gegenstand zur allgemeinen Kenntnis gelangten Mitteilungen sind so spärlich in deutscher Sprache erschienen, dass ich die Beantwortung der vorstehenden Frage für viele meiner geehrten Leser nicht für überflüssig halte. "Yoga" ist ein Sanskritwort und bedeutet: "Vereinigung". Die indische Philosophie strebt nämlich bekanntlich die Erlösung von Reincarnationen als summum bonum an. Dieser Zweck kann nach den Lehren der Veden und Upanishaden dadurch. erreicht werden, dass durch logische Schlussfolgerungen die Täuschungen unseres Daseins, und dadurch auch die Gesetze des wahren Seins erkannt werden, oder aber dass durch gewisse Uebungen in Verbindung mit einem nach gewissen Regeln geführten Leben, das illusive Ichbewusstsein (Ahankara) verschwindet, und eine Vereinigung mit dem allgemeinen Weltbewusstsein (Atma) erreich werden kann. Die erstere dieser Lehren ist die "Sankhia-", die letztere die "Yoga-Lehre". Die Yogalehre ist so alt wie Veden selbst, denn Patanjali, den man gewöhnlich den Vater der Yogalehre nennt, ist nicht der Entdecker dieses Systems, sondern er hat dasselbe in seinen Yoga-"Sutras" nur in eine konkrete Form gebracht. Die Yoga-Uebungen sind zumeist in den Upanishaden der Atliarva Veda beschrieben, bilden aber den Gegenstand zahlreicher in Indien verbreiteter Schriften von denen Mr. Rayendralà Mitra in seiner englischen Uebersetzung der Yoga-Sutras des Patanjali (Kalkutta bei J.W. Thomas 1883.) ein sehr wertvolles Verzeichnis gibt. Nachdem die Yogalehre die praktische Seite jedes Religionssystemes in sich schliesst, so finden wir auch in allen "heiligen" Büchern, Anleitungen zu Yogaübungen und z.B. im Dabistan und im Koran, neben dem Bhakti auch noch das Hatha-Yoga vertreten. Ebenso finden wir in den Ueberlieferungen und Symbolen gewisser geheimer Gesellschaften verdecktes Yoga. Es liesse sich daher über den historischen Teil der Yogalehre so viel sagen, dass der Raum und die Uebersichtlichkeit in diesen, ja mehr für einen speziellen Zweck bestimmten Zeilen weit überschritten werden müsste, und behalte ich mir daher dieses Thema für eine ausführlichere Arbeit, die ich bereits unter den Händen habe, vor. Erwähnen muss ich nur noch, dass unter den christlichen Mystikern Jakob Boehme in seinem Gespräch des Meisters mit dem Schüler, und der unter dem Pseudonym Kerning in den fünfziger Jahren auf diesem Gebiete literarisch thätig gewesene J. Krebs das Beste über Yogaübungen in deutscher Sprache geschrieben haben, allerdings in einer Form, die nicht nach jedermanns Geschmack ist. Das ausführlichste Werk in englischer Uebersetzung ist die dadurch auch dem Nichtsanskritisten zugängliche Hatha Yoga Pratipika. Ebenso sind einige Tantras und Puranas, erwähnenswert, obgleich alle diese Bücher sozusagen nichts enthalten, was nach dem heutigen Stande unseres Wissens für den abendländischen Forscher mehr von Wert wäre, und die an der Stirne dieses Abschnittes stehende Frage: "Was ist Yoga?" besser beantwortete als Patanjalis Schriften auf die ich daher allein verweisen möchte, weil sie das Wesen der Yogalehre in das geordnetste System gebracht haben. Patanjali sagt: "Yoga ist die Unterdrückung der Veränderunen des Denkprinzipes". Er nimmt nämlich an, dass das: "Denkprinzip die Eigenschaften desjenigen Subjektes annimmt, mit welchem es sich beschäftigt. Wenn sich dieses Denkprinzip daher nur mit dem einen Objekt beschäftigt, auf welches die betreffende Yogaübung es richtet, und wenn es infolge dieser Uebung verhindert wird, sich zu verändern, so vereinigt es sich damit und diese Vereinigung ist Yoga (weil den indischen Uebungen zumeist religiöse Subjekte als Grundlage dienen). Entkleiden wir daher diesen Fundamentalsatz Patanjali's seines indischen Charakters und setzen wir statt seinem "Chitta" (Denkprinzip) das Wort; "Aufmerksamkeit" im Sinne der Libeaultschen Anschauung, so haben wir die schönste Erklärung zur Herbeiführung des Zustandes der "Autosugestion" oder besser gesagt der "Autohypnose" vor uns. Thatsächlich sind nun auch die zur Erreichung von Yoga angegebenen Mittel und Verfahren genau diejenigen, welche zur Herbeiführung der hypnotischen Zustände geeignet sind, wie wir im nächsten Abschnitt sogleich sehen werden. Auch Yoga unterscheidet verschiedene Zustande gleich dem Hypnotismus oder künstlichen Somnambulismus und zwar Dharana, Dhiana und Samadhi, welche den uns bekannten Stufen des Somnambulismus von der Somnolenz aufnärts ziemlich entsprechen, während der Zustand des Pratyahara an diejenigen Erscheinungen erinnert, die wir durch Beeinflussung der Sinneswahrnehmungen an Hypnotisierten hervorbringen. Wir können daher auf "abendländisch" sagen: Yoga ist die durch andauernde Uebung, und geeignete Lebensweise erlangte Befähigung zur willkürlichen Selbsthervorrufung aller Erscheinungen des Somnambulismus. Ueber die verschiedenen Arten von Yoga im nächsten Abschnitt. Verfahren zur Herbeiführung und Erlangung von Yoga.Je nach der Art, der zur Erreichung von Yoga angewandten Verfahren unterscheidet man verschiedene Arten von Yoga und zwar sind die erwähnenswertesten:
Hatha-Yoga, Bhakti-Yoga, Laja-Yoga, Amanaska-Yoga, Raja-Yoga. Mantra-Yoga besteht in der lange Zeit fortgesetzten Wiederholung eines Satzes ("Mantram." meist den Vedabüchern entnommen) oder auch nur eines Wortes (zumeist das pranava: die mystische Silbe: AUM (siehe Mandukya Upanishad). Hatha-Yoga besteht in einer in ein System gebrachten Regelung des Atems. Die alten Inder stellten näimlich den Satz auf, dass das Denkprinzip in einer gewissen Verbindung mit dem Atem steht und dass daher durch willkürliche Regelung desselben auch das Denkprinzip stille gehalten werden kann "wie die Flamme einer Lampe, die an einem Orte brennt, der vor dem leisesten Luftzug geschützt ist" heisst es in der Bhagavat Ghita. Bekanntlich verlangsamen wir ja unser Atmen oder stellen dasselbe unbewusst ganz ein, sowie wir unsere Aufmerksamkeit an einen Punkt konzentrieren. Rechnet man zu dieseme also uns angeborenen und auf die Herzthätigkeit zurückzuführenden Verfahren zur Verdichtung unserer Aufmerksamkeit den Umstand hinzu, dass wir durch das willkürliche Regulieren unserer Atmung auch gleichzeitig einen willkürlichen Einfluss auf die der Atmung vorstehende Partie des Zentralorganes nehmen und dass wir dabei auch unser Blut mit Kohlensäure anreichern, so ist es wohl klar dass die Hatha Yoga Praktiken über die souveränsten hypnogenen Mittel verfügen und dass dieselben daher auch zur Herbeiführung des Yogazustandes die einfachsten und am raschesten zum Ziele führenden sind. Selbstverständlich ist die Sache aber unter Umständen sehr gefährlich und soll deshalb niemals ohne Anleitung eines erfahrenen Führers ("Guru" nennen ihn die Inder), versucht werden. Die Yogabücher und Manuskripte geben mitunter die wahnwitzigsten Anleitungen. Diese sind natürlich nur allegorisch gemeint und sehr selten buchstäblich zu nehmen. Ja die Bezeichnung: "Hatha-Yoga" ist schon so eine verblümte Geschichte und zwar bedeutet "Ha" den Mond und "Tha" die Sonne; der durch das rechte Nasenloch eingezogene Atem heisst in der indischen Geheimlehre "Surya-Swara" oder für gewöhnlich "Pingala", d.h. der Sonnenatem, wohingegen der durch das linke Nasenloch eingezogene "Ida" oder der Mondatem, genannt wird. Durch Vereinigung dieser Beiden: "auf der Insel zwischen dem Ganges und dem Jamura", das ist zwischen den Augenbrauen (!) entsteht die Erlösung das heisst Yoga. Der geehrte Leser wird sich jetzt vielleicht einen schwachen Begriff von der Schwierigkeit machen können, welche diese obscure Schreibweise dem Studium der Yogalehre aus Büchern entgegensetzt, zumal wenn ich nun noch hinzufüge, dass man in der Yogaschule zehn verschiedene Arten von (siehe unten) kennt von denen die wichtigsten (Vayus) Prana und Apana sind; der erstere steigt abwärts, der zweite aufwärts und die Vereinigung in der Gegend des Nabels ist auch "Hatha", d.h. die Vereinigung der Sonne mit dem Mond! Aber unser Ich-bewusstsein (Ahankara oder in einem anderen Aspect Jiva), ist eine Wiederspiegelung des allgemeinen Weltbewusstseins (Atma), die Vereinigung von Jiva mit Atma ist ebenfalls die Vereinigung der Sonne mit dem Mond. Wie gefährlich es wäre, eine solche Uebung nach den in den Yogaschriften angegebenen Vorschriften anzustellen, mag nun wohl jedem einleuchten und möge dieses Beispiel, dem ich noch eine Reihe anderer anfügen könnte, den allzubegierigen Forschern zur Warnung dienen. Die Fälle in denen die Yogaschüler in Indien ihre Bestrebungen mit dem Leben oder mit unheilbaren Krankheiten büssen, sind leider zahlreich, doch beurteilt man solche Fälle dort vom orientalischen Standpunkt und ist auch überzeugt, dass das betreffende Opfer nun eine recht gute nächste Incarnation erlangen wird, daher eher zu beneiden als zu beklagen ist. (Eine Geschmacksrichtung, welcher vielleicht nicht jeder meiner geehrten Leser huldigen dürfte!) Ich werde später noch näher auf die Hatha-Yoga-Praktiken zurückkommen und um die Einheit nicht zu stören, jetzt noch früher in skizzenhafter Kürze die übrigen, Yoga-Systeme streifen. Bhakti-Yoga ist das Yoga der Devotion und wird so recht eigentlich in unseren Religionsübungen betrieben. (heisst sollte betrieben werden!) Selbstredend verstehen die Inder unter Devotion eine vollständige und feurige Hingebung ("von ganzem Herzen und von ganzer Seele"), wozu die heissblütige Veranlagung dieses südlichen Volkes auch vorzüglich geeignet ist. In. der Gheranda Sanhita heisst es z.B.: "Lasset ihn seine Gottheit im Herzen betrachten" lasset ihn sein voll von Verzückung bei solcher Betrachtung, lasset ihn vergiessen Thränen der Glückseligkeit und dadurch dass er so thut wird er verzückt. Dies führt zu Samadhi und Manomani" u.s.w. Laja-Yoga besteht in der Verdichtung der Aufmerksamkeit auf irgend einen Gefühlsvorgang oder in der willkürlich hervorgerufenen und festgehaltenen Vorstellung einer Sinneswahrnehmung an oder in einem beliebigen Teil des Körpers, hiezu gehört auch das sogenannte: Nada-Yoga, wobei die Aufmerksamkeit (das Denkprinzip) an die Laute geheftet wird, welche während der Uebung im Ohr erklingen. Aehnlich sind die Praktiken des Amanaska-Yoga, sowie des Rasananda-Yoga etc. Die eigentliche Krone des Yoga ist und bleibt aber das Raja-Yoga und die anderen Yoga-Systeme dienen eigentlich mehr oder weniger nur dazu um, das Raja-Yoga leichter erreichbar zu machen. Das Raja-Yoga besteht in der direkten Vereinigung von Manas (also wörtlich übersetzt der Seele) mit Atma. Mit anderen Wort in der Vereinigung des Einzelbewusstseins mit dem Allbewusstsein. Es ist begreiflich, dass durch das Aufgeben der Individualität der somnambule Zustand (Samadhi) eintritt, aber ist auch klar, dass dieser Weg der schwierigste ist. Nachdem aber das Samadhi seine Unterabteilungen hat, von denen die hauptsächlichsten Samprajnata, d.h. bewusstes und Asamprajnata Samadhi d.h. unter Aufhörung des Bewusstseins sind, so ist es, nach unserer Ansicht klar, das Raja-Yoga sozusagen die Suggestion zu dem selbstinduzierten somnambulen Zustand liefert, welcher dann, da das suggerierte Objekt. ein erhabenes heiliges ist, von unaussprechlichem Glücksgefühl begleitet ist. Nachdem ich meine Leser nun im Fluge mit dem Wesen der verschiedenen Yoga-Systeme bekannt gemacht habe, will ich noch einmal zum Hatha-Yoga zurückkehren, weil es für uns, vom rein physiologischen Standpunkte aus das meiste Interesse bietet. Alle Yogaarten erkennen acht Unterabteilungen und darum nennt man das Yoga auch den noblen achtfachen Pfad (siehe das prachtvolle Gedicht von Edwin Arnold: "Die Leuchte Asiens" deutsche Uebersetzung in Reclams 9 Universalbibliothek Nr. 2941, 2942). Diese Unterabteilungen teilen sich wieder ein in die ersten fünf, welche man das äusserliche Yoga nennt und in die letzten drei, die man unter der Bezeichnung "Samyama" zusammenfasst und die das eigentliche oder innerliche Yoga ausmachen. Die ersten drei sind: 1. Yama, bestehend in Mässigung, Nachsicht, Zufriedenheit, Aufrichtigkeit, Ehrenhaftigkeit u.s.w. Es ist einleuchtend, dass dadurch ein Gemütszustand geschaffen wird, der die innere Ruhe, die ja in allererster Linie zur Herbeiführung des Yoga notwendig ist, ermöglicht. Die diesbezüglichen religiösen Vorschriften haben also, wie man sieht, nicht nur einen ethischen, sondern noch einen rein psychologischen Zweck. Patanjali sagt in seinen Yoga-Aphorismen Cpt. 1. Sloka 36. "Oder der sorglose Zustand des Gemütes voll von Licht wird zum Samadhi führen." 2. Niyama, bestehend in der Befolgung der Vorschriften derjenigen Religionsform, welcher der Yogi angehört, der Reinigung des inneren und äusseren Menschen, Enthaltsamkeit (ohne jedoch in eine übertriebene Askese zu verfallen, denn beim Yogi gilt der Satz "mens sana in corpore sano" in allererster Linie, der Yogi braucht einen starken und in allen Teilen ganz gesunden Körper, er muss jedoch die vollständigste Herrschaft über denselben besitzen und gerade diese Herrschaft, die sich in einer ganz unglaublichen Weise entwickelt, und deren Erlangung ein grosser Teil von vorbereitenden Uebungen gewidmet ist, sichert dem Yogi seine Stärke und Gesundheit). Vairagya was ich mit "Verlanglosigkeit" übersetzen möchte, ist einer der Hauptschlüssel zur Pforte des Yoga. Patanjali sagt: "Das Bewusstsein von jemand, der jeden Wunsch bemeistert hat und weder nach wahrnehmbaren, noch nach schriftlichen Dingen dürstet ist Vairagya". Wie beim Yama so zielen auch beim Nyama alle Vorschriften auf die Erlangung eines inneren Friedens ab, der natürlich das Eintreten der Yogazustände nicht nur erleichtert, sondern für die höheren Stufen derselben geradezu unumgänglich ist. In das Capitel des Niyama gehört auch "Japa", das ist unhörbares Aussprechen eines Mantrams (heiligen Satzes oder Wortes) und anhaltende Ergebung in Iswara. "Iswara ist eine eigene Seele unberührt durch Betrübnis, Werke, Früchte (Resultate) und Eindrücke" sagt Patanjali. Da die Sankhialehre, zu welcher die Yogalehre eine Vervollständigung bildet, keinen Iswara annimmt, während Patanjali einen solchen für die Zwecke der Yoga-Praktiken und zwar zur leichteren Medidation aufstellt, so hat seine Philosophie die Bezeichnung "Sesvarasankhya" erhalten. Wie man sieht, bilden nun schon Teile von Mantra und vom Bhaktiyoga das Niyama. 3. Asana. Die Stellung. Es ist klar, dass wir eine Stellung einnehmen müssen, die mit unseren inneren Vorgängen in Einklang steht, wenn wir eine innere Konzentration vornehmen wollen. Der Schauspieler, der einen Helden vorzustellen hat, wird auch anders einherschreiten als wenn er einen leichtsinnigen Lebemann gibt. Ebenso ist ja der Wechsel unserer Körperstellung bei Gemütsbewegungen bekannt. Der Yogi sucht nun von aussen nach innen zu wirken und passt gleich seine Stellung demjenigen Zustand im Vorhinein an, in den er sein Gemüte versetzen will. Es gibt aber eine Menge von Stellungen, welche eine Einflussnahme auf den Pfortaderkreislauf abzielen, die wir Abendländer, die schon nicht eimal wie die Orienialen sitzen können, beinahe unmöglich auszuführen vermögen. Die Asanas sollen noch auf die Zirkulation in den unteren Extremitäten sowie auf den Geschlechtstrieb Einfluss nehmen und ein Training für die Willenskraft abgeben. Die knieende Stellung der christlichen Kirchen bildet ebenfalls eine in den alten Yogaschriften lange vor. Einführung des Christentums beschriebene Asana ("Vajrasana"). Ich habe hier die genaue Beschreibung von 32 Asanas vor mir liegen, da dieselben aber ja doch nur von den sogenannte Schlangenmenschen unserer Zirkuse oder Variété-Theater ausgeführt werden könnten, so will ich deren Veröffentlichung in deutscher Sprache für das eingangs erwähnte umfangreichere Werk über Yoga, das ich in Arbeit habe, aufbehalten, als Beispiel will ich nur die so häufig erwähnte Padmasana (Lotus-Stellung), beschreiben: Lege den rechten Fuss auf den linken Schenkel und in gleicher Weise den linken Fuss auf den rechten Schenkel, kreuze auch die Hände hinter dem Rücken und erfasse und halte die grossen Zehen der so gekreuzten Füsse. Drücke das Kinn auf die Brust und fixiere den Blick auf die Nasenspitze (!). Der weise Patanjali sagt jedoch in Kapitel 2 Sloka 4. "Stellung ist die, welche fest und angenehm ist." Wir Abendländer werden uns daher wahrscheinlich nicht in die Padmasana setzen! 4. Pranayama. Die Regelung des Atmens. Das Wort "Prana" ist synonym mit Atem und mit Leben. Ich habe bereits einige Wirkungen der willkürlichen Atemregelung erwähnt, es wäre aber über diesen Gegenstand so vieles und so interessantes zu sagen, dass ich hier mich des beschränkten Raumes wegen gar nicht auf weitere Ausführungen einlassen will und von den zahlreichen Methoden des Pranayama nur eine als Beispiel anführe. Die technische Bezeichnung für das Einatmen ist: "puraka", die Ausatmung wird "rechaka" und das Einhalten des Atems "kumbhaka" genannt. Diese drei Funktionen zusammen bilden ein pranayama. Auch unsere abendländischen Mystiker kannten den Zusammenhang des Atmens mit dem Denken, so sagt z.B. Swedenborg: "Wenn wir einen langen Gedanken denken, so ziehen wir einen langen Atem ein, wenn wir rasch denken, so vibriert unser Atem in rapider Aufeinanderfolge, wenn der Sturm des Aergers eines Mannes Gemüt erschüttert, so ist sein Atmen stürmisch und wenn seine Seele tief und ruhig ist, so ist seine Atmung ebenso. Lassen wir nun jemand das Gegenteil versuchen, d.h. er möge in langen Zügen denken und dabei kurz oder rasch atmen, und er wird finden, dass dies unmöglich ist." Und Srischandra Basu fügt hinzu: "Das Denkprinzip ist mit einer Gasflamme vergleichbar, der das Gas unter stetig wechselndem Druck zugeführt wird. Das Blut, welches. das Herz dem Gehirn zusendet, ist das Gas, welches die Flamme des Gemütes erhält, und im Verhältnis der verschiedenen Leidenschaften und Gefühle ist die Zufuhr des Blutes zum Gehirn nicht immer gleichmässig und daher zittert und flackert der Gedanke und bildet ein ungleichmässiges Licht. Deshalb übt der Yogi Pranayama und sendet einen gleichmassigen Strom Blut in sein Gehirn und versucht die Flamme immer stetig zu halten." Doch nun zum praktischen Beispiel. Die am meisten geübten Kumbhakas sind acht und zwar: Sahita, Surya-bheda, Ujjavi, S'îtali, Bhastrikâ, Bhrâmari, Murcha und Kavali. Zur Ausführung des Sahita schliesst man, in einer passenden Asana sitzend, mit dem Daumen der rechten Hand das rechte Nasenloch und inhaliert langsam durch das linke, indem man 7mal das Wort "Om" wiederholt, dann schliesst man beide Nasenlöcher und haltet den Atem so lange an (Kumbhaka), dass man diese Mantram (oder ein anderes z.B., Om. tat, sat) 14 mal wiederholen kann, und dann atmet man langsam durch das linke Nasenloch aus und wiederholt dabei in Gedanken 14mal das Mantram. Hierauf atmet man durch das linke Nasenloch ein (puraka) u.s.f. Man soll nach und nach diese Uebung öfter und öfter wiederholen, bis man die Zahl der pranayamas auf 80 gebracht hat. Dieser Prozess verursacht in den untersten Stufen Perspiration, in den mittleren Stufen Zittern und den höheren Stufen "Levitation" (!?) Die Diät (Milch und vegetabilische Nahrung, keine aufregenden Speisen) ist im Anfange strenge einzuhalten, im vorgeschrittenen Stadium aber sind diese diätischen Regeln nicht mehr notwendig. Die Hatha Pradipika sagt: Der Atem muss langsam und stufenweise bemeistert werden, geradeso wie Tiger, Bären und andere wilde "Tiere gezähmt werden, weil sonst der übereifrige Student sicherlich zu Schaden kommt. Richtiges pranayama heilt alle Krankheiten, unrichtiges ruft sie hervor." "Wenn die Nadis (Nervenzentren) geklärt sind, wird der Körper geschmeidig und schön, die Verdauung wird gesteigert, Gesundheit erscheint und bleibt, die Regelung des Atems kann ohne Anstrengung vollzogen werden, und die Nadis (inneren Laute) werden innerlich hörbar." Eine andere Methode (Habus-i-dam), die von den persischen Yogis (und Sufis) betrieben wird, ist folgende: Man atmet langsam ein und wiederholt das Wort "nest" bis die Lungen angefüllt sind, dann neigt man den Kopf auf die rechte Brust und recitiert das Wort "Hasti", atmet aus und hebt den Kopf, macht eine tiefe Einatmung, indem man das Wort "magar" sagt, und dann "yezdan" murmelt, indem man den Kopf auf die linke Seite neigt und ausatmet. Es werden keine Pausen gemacht. Die Formel ist: "nest hasti magar yezdan" (es ist kein Sein ausser Gott). Wie man sieht, ist hier kein Kumbhaka und die Leute verkürzen die Zeit von Ein- und Ausatmung immermehr, - so dass sich die Sache ganz unheimlich ansieht - und sie nach wenigen Minuten bewusstlos hinfallen. Es scheint dies eine in mohamedanische Kreise gedrungene, aber falsch aufgefasste Kenntnis des "Bhâstrika" - Kumbhaka zu sein. Man atmet dabei nämlich langsam und tief durch beide Nasenlöcher ein und sehr rasch aus (wie ein Blasbalg, daher auch die Bezeichnung); nachdem man dies ca. 20mal wiederholt hat, macht man Kumbhaka. (Apnoe.) Diese wenigen Andeutungen werden vorderhand genügen um zu zeigen, was der Hatha Yogi bezweckt. Interessant sind die altindischen phisiologischen Bezeichnungen für die Vayus und die Nadis. Es gibt 10 Vayus und zwar Zum inneren Körper gehörend: Apana, (in der Gegend des Anus) Samâna, (in der Nabelgegend) Udâna, (in der Kehle), Vyâna, (im ganzen Körper). Zum äusseren Körper gehörend: Nâpa, (vollzieht die Befruchtung), [Anm. O.R. Schlag: existiert nicht in Sanskrit = muss heissen: naga - Wind - vital energy] Kurma, (öffnet die Augenlider), Krikara, (verursacht Niesen), Devadatta, (verursacht Gähnen), Dhananjaya, (durchdringt den äusseren groben Körper). Die hauptsächlichsten 14 Nadis sind: Shushumna, Ida, Pingala, Gandhari, Hasti-jihvica, Kuhu, Saraswati, Pusa, Sankhini, Payaswini, Varuni, Alumbusa, Viskwodari und Yasaswini. Unter diesen sind Ida, Pingala und Shushuina die wichtigsten und zwar korrespondieren diese mit unserem N. sympathicus. Der Yogi versetzt sein Bewusstsein, verdichtet seine Aufmerksamkeit auf einen der genannten Vayus und auf ein Nadi, und verbindet diese Vorstellung in einer gebissen Asana mit dem Atem. Eine solche Kombination nennt man ein Mudra und so gibt es 25 Mudras (worunter einige sehr sonderbare)! Die Behandlung dieses gewiss interessanten Gegenstandes würde Bände füllen und ich kann mich hier daher nicht einmal auf die Anfangsgründe einlassen, sondern komme nun zur letzten der 5 Stufen des äusserlichen Yoga zum 5. Pratyahara. Dieses ist die willkürliche Beherrschung der Sinneswahrnehmungen und zwar sowohl in Unterdrückung der thatsächlichen Wahrnehmungen, wie in willkürlicher Hervorrufung von beliebigen Vorstellungen. Es ist dieses Stadium zu vergleichen mit dem Zustande des Hypnotisierten, welchem suggeriert wird, dass die rohe Kartoffel eine süsse Birne sei - und der den Geschmack und Geruch der Birne thatsächlich empfindet, der friert, wenn ihm Kälte suggeriert wird u.s.f. Das Pratyahara ist eine Kongruenz des Pranyama und den vorhergehenden Stufen und alle diese 5 zusammengenommen bilden wieder den Anfang zum 6. Dharana, welches das Fixieren des Chitta an einem Punkt und die erste Stufe der 3 inneren Yogavorgänge ist; naturgemäss folgt auf dasselbe dann 7. Dhyana (Contemplation), ist der Strom der Aufmerksamkeit auf denjenigen Punkt, auf den sie gerichtet ist, so dass das Bewusstsein des Gesondertseins von diesem Punkte aufhören und "der Seher und das Gesehene Eins werden". Geschieht dies, so ist der Zustand des 8. Samadhi erreicht. Die drei inneren Yogastufen Dharana, Dhyana und Samadhi werden, wie oben erwähnt, gewöhnlich unter der Bezeichnung: "Samyama" zusammengefasst. Aus der Uebung des Samyama entstehen dann die "Siddhis" oder Fähigkeiten, die über das Vermögen des gewöhnlichen Menschen hinausreichen und da gibt es eine ganze Reihe wie Anima, Laghima u.s.f. Die Meisten haben für uns nichts Uebernatürliches an sich, wenn man bedenkt, dass der Siddha (d.h. derjenige, der sie erlangt hat) sich willkürlich in die uns durch die Hypnose wohlbekannten Zustände versetzen kann. Wie weit diese Siddhis mit den davon in den Yoga-Schriften gemachten Schilderungen übereinstimmen, müssen wir dahingestellt sein lassen, der richtige Yogi misst den Siddhis nicht nur keine Bedeutung bei, sondern er betrachtet dieselben sogar als störend, weil sie ihn aus der für seine Uebungen nötigen Sammlung bringen. Das Ziel der wahren Yogi ist Kaivalya (Mohska) "die Erlösung" durch Vereinigung von Jivatma mit Paramatma, doch das gehört auf das philosophische Conto und ich habe dieses Thema nur deshalb berührt, um die Frage: "Weshalb hört man verhältnismässig so wenig von Siddhas in Indien?" a priori zu beantworten. Das was die sogenannten "Fakire" im Royal-Aquarium und in Oes-Budawara der Milleniums-Ausstellung geleistet haben, ist weiter nichts als die Nirvikalpa Samadhi Stufe. Allerdings ein höherer Yoga-Vorgang der eventuell mit dem tiefen Schlaf des künstlichen Somnambulismus zu vergleichen ist, bei welchem aber die Atmung und Herzthätigkeit noch nicht dermassen reduziert ist, wie dies bei den Zuständen des Scheintodes der Fall ist, in welchen sich einige indische Fakire versetzen können und der demselben gestattet sehr lange Zeit darinnen zu verweilen. Ich kann aber auch darin nichts Unglaubliches erblicken, weil Fälle einer an Scheintod gemahnenden Lethargie ja nichts Neues sind und weil ich annehmen darf, dass ein Mann, der durch Uebung und Training die Fähigkeit errungen hat, all sich die Erscheinungen des künstlichen Somnambulismus hervorzurufen, dieselben auch bei fortgesetzter Uebung und bei geeigneter Veranlagung dermassen zu vertiefen vermag, dass er künstlichen Scheintod an sich hervorbringt. Allerdings bringt dies seinen Organismus enorm herunter und es ist daher klar, dass zum Zwecke öffentlicher Schaustellungen in diese tiefen Zustände nicht eingegangen werden kann. Rückblick.Nach dem Gesagten kommen wir, den philosophischen Standpunkt vernachlässigend, zu folgenden Resultaten:
2. Die Mittel zur Erlangung von Yoga sind den Verfahren zur Herbeiführung künstlicher Schlafzustände nahe verwandt und bestehen:
b) in Verdichtung der Aufmerksamkeit auf einen, Punkt, einen Gedanken oder eine Vorstellung. c) in Regelung der Atmung. 4. Das Studium der Yogalehre ist daher interessant und kann nützlich werden. Es beweist nicht nur dass die Inder bereits im grauesten Altertume psychologische Erscheinungen die wir erst seit verhältnismässig kurzer Zeit kennen, genau studiert und in ein ganzes, wohl ausgearbeitetes System gebracht hatten, sondern es macht seinen wahren Jünger auch zu einem guten, gesunden und glücklichen Menschen und eröffnet einen neuen Horizonte der mir so grossartig erscheint, dass ich vorderhand unterlasse, darauf hinzuweisen. Durch die erlangte Herrschaft über seinen Gedanken und seinen Körper, wird der Yogi ein "Charaktermensch"; und dadurch, dass er seine Triebe und Neigungen seinem eigentlichen Wollen unterwirft und letzteres auf das Gute gerichtet sein lässt, eine: Persönlichkeit", die von anderen schwer zu beeinflussen und dadurch so ziemlich das Gegenteil von dem Bilde ist, welches uns öfters als sogenanntes: "Medium" vorgeführt wurde. Ich wäre sehr glücklich, wenn diese wenigen Zeilen beitragen würden, die Berufenen auf das Studium der uralten Yogalehre aufmerksam zu machen. © Archive P.R. König Courtesy Sigrid Plutzar Extrait en français: Méthodes pour la Conduction au Yoga et l'acquisition du Yoga - 1896. back to the main page about Carl Kellner
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